Wie ich zur Kocherei kam...
Mein Großvater flüchtete aus dem Sudetenland, aus dem heutigen Tschechien nach Südbaden. Als gelernter Metzgermeister baute er sich mühsam eine neue Existenz auf. Als mein Vater und ich ihm das 1. mal bei einer Hausschlachtung auf einerm Bauernhof mitgeholfen haben, verstarb er leider kurz darauf. Gerne hätte ich als Junge noch einiges von ihm abgeschaut - ich hätte viel vom ihm lernen können.
Früh war mir bewusst, dass man Gelegenheit nutzen soll - wenn sie sich im Leben einem bieten.
So habe ich oft meinem Vater (gelernter Koch) über die Schulter geschaut:
Ob bei uns daheim in der Küche, im Restaurant wo er am Wochenende ausgeholfen hat und bei privaten Festen.
Mit Freude habe ich als pupertierender Junge ihm beim schnellen Schnippseln und Rühren über die Schulter geschaut.
Ihm zugearbeitet so gut es ging und fasziniert seine Tipps zu Schneidetechniken & Zubereitung aufgesaugt - welche mir später bei meiner eigenen Kochlehre zu einem kleinen Vorsprung verhalfen.
Meine Kochlehre in den 80er-Jahren im Hotel Löwen in Lahr, war für mich als 16-jähriger einerseits die härteste Zeit in meinen Leben. In einem patriachisch geführten Betrieb, wo man Angst hatte, wenn die Küchen-Kombüsentür vom stark-übergewichtigen Hotelchef aufgetreten wurde und man in Deckung ging, damit man von seinen cholerischen Wutausbrüchen nicht mit einer Küchengabel in den Hintern gerammt bekam.
Tag für Tag höchst-belastender Stress im Mittags- und Abendservice, welcher mich in der Nacht im Bett aufwachen ließ und ich nicht mehr unterscheiden konnte, wo ich mich befand und somit auch im Sitzen im Bett weiter gekocht habe.
Heimweh nach meinen Eltern, meinen Bruder, der Katze, dem Gemüsegarten, der Kleinstadt-Idylle und die damit verbundene Geborgenheit. Jeden Morgen beim Anziehen meiner Kochuniform, beim Zurechtrücken des Schiffchens auf meinem Kopf und das Herunterrennen der 2 Stockwerke von meinem Zimmer unter dem Dachspitz direkt rein in die Küche verband ich mit der großen Sehnsucht nach Flucht. Alles was außerhalb des Hotels vor sich ging: der Aufgang der Sonne, Menschen in der Fußgängerzone, Gerüche von Frühlingsblumen: das war für mich Freiheit - und da wäre ich am liebsten gleich hingeflüchtet.
Andererseit habe ich für mein ganzes Leben mit auf den Weg bekommen:
- wie man von der Picke-auf gut kocht.
Das Wort Convience-Food gabe es damals noch nicht. Eine gute Salatsoße herzustellen, Suppen & Soßen mit richtig gutem Geschmack auf den Herd zu bringen und Gemüse, Fleisch und Fisch auf das Beste für die Gäste zuzubereiten - das war unser täglich vorgegebener Anspruch.
- wie wichtig Zusammenhalt ist
wenn der damalige Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler, im Nebenzimmer seine nach seinen Wünschen zusammengestellte Leberknödel auf Sauerkraut mit Kartoffelpüree einverleibt hat, die ganzen Bons von seinem Begleit-Tross in die Küche hagelten und vorne das ganze Restaurant voll mit Gästen war, dann, ja dann war es essentiell sich auf jeden einzelnen in der Küche verlassen zu können. Jeder sein Bestes zum Wohle der Gäste gab und wir alle an einem Strang zogen. Kein Platz für Zank oder Eitelkeiten war, sondern die Küchendampfwalze Fahrt aufgenommen hat, wie in einem Uhrwerk die Zahnräder ineinander spielten und wir nicht mehr zu stoppen waren.
- was Freundschaft bedeutet
wenn man dazu gezwungen wird, 4 Portionen Lyoner-Wurst zu essen, weil man sie falsch / zu dick geschnitten hat und dann eine Gaby im gleichen Lehrjahr dabei mithilft, indem sie heimlich den größten Teil davon in ihre Kochhose nach-und-nach verschwinden lässt.
wenn man Mitgefühl erlebt, wenn man mitgetragen wird wenn es einem mal beschissen ging, sich gegenseitig unter die Arme greift, wenn der andere auf seinem Posten "im Seich" war und ohne Worte und selbstverständlich für einander da war, wenn es klemmte.
- das man als Chef bestimmt auch anders führen kann
Der Küchenchef sagte zu mir einmal:
' Heinz, wenn Du mal später selbständig sein solltest - dann wirst Du genau so mal werden!'
Ich war zwar erst 16 Jahre alt:
Mir war aber damals schon klar, dass es bestimmt auch einen anderen Weg geben muss, Mitarbeiter respektvoll zu behandeln, sie zur guten Leistung zu motivieren und dass sie gerne jeden Tag zur
Arbeit kommen.
Und dass ganz ohne (Macht- )Geschrei und Angst zu verbreiten.
Ich war dann auch mit 30 selbständig. Und ich kann behaupten, dass alle Mitarbeiterinnen sich gefreut haben, wenn sie mich gesehen haben. Niemand musste in Deckung gehen, wenn ich die Türe reingekommen bin. Ich hatte ein gesundes Ego & Selbstbewusstsein und muss mich nicht auf die Stufe meines Hotelchefs runterlassen.
Fortsetzung folgt....